Neustart statt Fehlstart

Dieser Artikel erschiehn zuerst im April 2022 in der Ausgabe 101/102 von theatermanagement aktuell 

“Kannst du das mal posten?” – Diesen Satz haben sicherlich viele, die ein Facebook- oder Instagram-Profil für ein Theater oder eine Bühne verwalten, schon einmal zu hören bekommen. Manch anderer hat ihn vielleicht sogar schon selbst ausgesprochen.

In der Regel fällt dieser Satz immer genau dann, wenn sich etwas Unvorhergesehenes oder Besonderes ereignet, ein bestimmtes Thema bislang nicht geplant war oder bei der Planung vergessen wurde, wenn eine Vorstellung sich schlechter verkauft hat als erhofft oder wenn sich spontan eine Idee für einen Beitrag ergibt, die jetzt Ad hoc umgesetzt werden soll.

In der Praxis ergibt sich daraus gleich eine Vielzahl von Problemen, denn Beiträge, die in solcher Weise entstehen, sind häufig wenig effektiv. Beim schnellen und spontanen Erstellen von Inhalten verliert man leicht die eigentlichen Ziele sowie die Bedürfnisse des Publikums aus dem Auge. So bleiben wichtige Botschaften und Informationen auf der Strecke oder der Kontext und Sinn des Beitrags ist für den Betrachter nicht erschließbar. Manche solcher Beiträge betreffen auch nur einen sehr kleinen Teil des Publikums. Zum Beispiel bei Absagen oder Verlegungen. Zudem hat jede Nachricht ihren passenden Zeitpunkt. Weist man am Donnerstag noch kurzfristig auf eine Vorstellung am Freitag hin, so werden viele Follower diesen Beitrag erst nach der Veranstaltung sehen. Abhängig vom jeweiligen Nutzungsverhalten der Zielgruppe sogar erst Tage danach. Dann ist die Information jedoch längst veraltet. Denn nicht jeder öffnet seinen Facebook- oder Instagram-Account auf Tagesbasis.

Mehr Beiträge bedeuten nicht gleich mehr Reichweite

Häufen sich Beiträge, die für das Publikum nicht oder nicht mehr relevant sind, kann dies schnell zu einer Überforderung führen. Die eigenen Follower reagieren immer weniger auf die Inhalte. Als Folge bekommen sie diese vom Algorithmus weniger prominent oder gar nicht mehr angezeigt. So kann sogar die eigene Reichweite kontinuierlich sinken. Wird dann die Anzahl der Beiträge erhöht, um den Reichweitenverlust auszugleichen, verstärkt sich dieser Effekt noch einmal und es werden immer weniger Menschen erreicht.

Das Ergebnis: Trotz hohem und intensivem Arbeitsaufkommen, werden die Resultate der eigenen Arbeit immer schlechter. Man hat immer mehr das Gefühl, gegen den Algorithmus arbeiten zu müssen, was in gewisser Weise sogar der Fall ist. Man arbeitet nicht mit den Algorithmen, sondern gegen sie. Selbst liebevoll und aufwendig erstellte Inhalte werden dann nicht mehr wahrgenommen, was zusätzlich frustriert.

Reaktive Arbeitsweisen führen zu konstantem Druck

Werden Social-Media-Kanäle vorrangig und vielleicht sogar von mehreren Personen gleichzeitig in dieser Weise betrieben, fällt man zudem leicht in eine reaktive Arbeitsweise. Man hält kontinuierlich Ausschau nach neuen Themen und Inhalten und versucht, keine spontane Gelegenheit für einen Beitrag zu verpassen. So gerät man unter den permanenten Druck, immer wieder neue Beiträge mit sehr kurzer Wirkungsdauer zu erstellen. Dann hört man häufig einen ganz anderen wohlbekannten Satz: “Hätten wir das nicht noch auf Social Media posten sollen?” – Man hinkt quasi ständig den Ereignissen hinterher.

Mit Strategie und Struktur ist man klar im Vorteil

Abhilfe schafft hier nur, eine klare Strategie zu entwickeln. Also die individuellen Ziele für die Kanäle festzulegen und den Weg zu definieren, wie sie erreicht werden sollen. Wer bei jedem Beitrag weiß, was wann veröffentlicht wird und warum, ist klar im Vorteil. Im besten Fall steht jeder einzelne Beitrag in einem klaren Verhältnis zu den gesetzten Zielen. So kann durch Strategie und Struktur sogar der Freiraum für die kreative Ausgestaltung der Inhalte wiedererlangt werden.

Das passende Verständnis für die Zielgruppe

Die Inhalte der Beiträge sollten sich zudem nicht am eigenen Sendebedürfnis, sondern an den konkreten Bedürfnissen des Publikums orientieren. Da spiegelt sich im digitalen, was wir auch im echten Leben erleben. Der überwiegende Teil des Publikums möchte nicht die Aufführung mitgestalten, sondern sich zurücklehnen, genießen, applaudieren und sich im Anschluss mit Gleichgesinnten über das Gesehene und Erlebte weiter austauschen. Sich jedoch öffentlich mit Fremden im Kommentarfeld eines Facebook-Beitrags über die Inhalte eines Stücks auszutauschen, dazu fehlt den meisten das Interesse. So etwas tun in der Regel nur Menschen mit einem sehr engen, vielleicht sogar professionellen Bezug zum Haus, der Sparte oder den Darstellern. Wer seine Kanäle auf solche Interaktionen ausrichtet, kommuniziert schnell in einer Blase Hochinteressierter, während das eigentliche Publikum den Zugang verliert. Das Wichtigste, was Menschen benötigen, um eine Vorstellung zu besuchen, sind Ankündigungen und begeisternde Inhalte. Eine Interaktion oder ein Austausch und die Dokumentation vieler kleinteiliger Ereignisse sind dafür jedoch nicht nötig.

Social Media nicht wie eine Privatperson verwenden

Einer der häufigsten Fehler, die wir bei der Nutzung von Social-Media-Kanälen im Kulturbereich erleben können, ist der, in die Rolle und das Nutzungsverhalten einer Privatperson zu fallen. Wie dies geschieht, ist leicht nachvollziehbar. Wer sich nicht ausgiebig mit den strategischen Grundlagen von Kommunikation und dem professionellen Einsatz von Social Media beschäftigt hat, kennt die Kanäle in der Regel nur aus dieser Perspektive. Aber was ist damit gemeint? Eine Privatperson nutzt Social Media vorrangig zur Vernetzung und zum Austausch im persönlichen Umfeld. Insbesondere auf Instagram steht das Teilen von Lebensmomenten und Ereignissen im Mittelpunkt. Die Familienfeier, der Konzertbesuch, das Essen im Restaurant, die schöne Aussicht im Urlaub, das lustige oder skurrile Verhalten des Haustiers… – Menschen teilen das, was in ihrem Leben passiert, mit anderen. Übernehmen wir genau dieses Vorgehen jedoch für die professionellen Social-Media-Aktivitäten einer Bühne, dann verfallen wir automatisch in das weiter oben beschriebene reaktive Sendeverhalten.

Nicht jeder wünscht sich Interaktion

Ein zentraler Aspekt der privaten Social-Media-Nutzung ist die soziale Interaktion. Das Liken oder Teilen eines Beitrags ist ein direktes Zeichen für Bestätigung und soziale Anerkennung und wirkt sich erwiesenermaßen direkt auf das Belohnungssystem im Gehirn aus. Dieser Effekt ist einer der Gründe für den enormen Erfolg der sozialen Medien. Er verstärkt sich umso mehr, wenn Menschen am Leben und Erleben einer öffentlichen Person, eines Künstlers, Stars oder Influencers teilhaben. Was auf der privaten Ebene im eigenen Umfeld und in der Interaktion mit bekannten Personen funktioniert, kann im professionellen Kontext einer Bühne jedoch befremdlich wirken. Bereits das Liken eines Beitrags, in dem ein Zuschauer lediglich den Spielort verlinkt hat, kann sich wie ein seltsames Eindringen in die Privatsphäre anfühlen. Das ungefragte Teilen von persönlichen Beiträgen einzelner Zuschauer, wie es oft praktiziert wird, kann sogar als übergriffig empfunden werden. Viele solcher Einblicke in das individuelle Erleben der Vorstellung sind zudem qualitativ nicht hochwertig genug und inhaltlich nicht relevant genug, um sie mit einem breiten, für den eigentlichen Absender fremden, Publikum zu teilen – sie sind dafür in der Regel auch nicht gemacht. Solche Beiträge nur zu teilen, um die eigene Relevanz zu betonen, kann mitunter zu einer öffentlichen Bloßstellung der Person führen.

Reichweiten, Likes und Kommentare sind keine sinnvollen Messwerte

Wer den Erfolg seiner Aktivitäten messen möchte, sollte sich an den gesetzten Zielen orientieren. Allzu schnell können Reichweiten, Likes, Kommentare und Shares als Maßstab für die Bewertung des eigenen Erfolgs verwendet werden. Im schlimmsten Fall werden sie als Anerkennung und Bestätigung für die Qualität der eigenen Arbeit gewertet. Der Erfolg der eigenen Arbeit misst sich aber vor allem darin, die richtigen Menschen mit den richtigen Inhalten erreicht und begeistert zu haben. Auch die Algorithmen haben erkannt, dass Likes, Shares und Kommentare nur bedingt geeignet sind, um den Mehrwert eines Beitrages für die richtige Zielgruppe bewerten zu können, und optimieren deshalb schon länger auf ganz andere Signale.

Fazit

Die Funktionsweise und allgemeine Nutzung der sozialen Medien kann schnell zu Arbeitsweisen verleiten, die nicht zielführend sind. Um das zu verhindern, braucht man eine Strategie, die sich an dem eigenen Kern und den eigenen Zielen sowie an den Bedürfnissen des jeweiligen Publikums orientiert. Nur so kann ein selbstbestimmtes, proaktives Vorgehen gewährleistet werden. Zudem wird ein generelles Verständnis von der Funktionsweise der Sozialen Medien und ihrer Effekte benötigt. Dabei muss auch die psychologische Perspektive, wie das Publikums diese Kanäle nutzt, berücksichtigt werden. Der eigene Erfolg sollte sich dabei am Erreichen der gesetzten Ziele und nicht an allgemeinen und nicht relevanten Kennziffern orientieren.

Eine Social-Media-Strategie ist vor allem ein gemeinsames, motivierendes und individuelles Grundverständnis vom Sinn und Zweck des eigenen Vorgehens, an dem sich dann alles orientieren kann. Ein detailliertes Konzept und Guidelines mit sprachlichen und technischen Vorgaben zur Nutzung der Kanäle ist hingegen etwas anderes. Natürlich ist auch das wichtig, aber nicht in jedem Fall auch strategisch zielführend und durchdacht.

Eine Strategie ist ein Commitment, sich auf Ziele zu verständigen, gemeinsam in eine Richtung zu arbeiten, das jeweilige Vorgehen klar zu definieren und Parameter zu benennen, anhand derer der Erfolg der Arbeit sinnvoll und zielgerichtet ausgewertet werden kann. Ein solches gemeinsames Verständnis vom „Wie“ und „Warum“ ist insbesondere dann entscheidend, wenn in größeren Häusern mehrere Sparten und Abteilungen zusammenkommen und auch Akteure in den digitalen Kanälen sichtbar werden oder zu Wort kommen möchten. Erst mit einer klaren Strategie können sich die unterschiedlichen Bedürfnisse den gemeinsamen Zielen unterordnen und wirkungsvolle Synergien erzeugen.

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