Die aktuellen Entwicklungen stellen viele Kulturinstitutionen, Festivals und Veranstalter vor bislang nicht dagewesene Herausforderungen. Völlig neue Bedingungen bringen auch völlig neue Anforderungen an die Kommunikation mit sich. Bisherige Strategien und Maßnahmen funktionieren kaum noch, wenn sich Ausgangslage, Zielgruppen, Bedürfnisse und das Besucherverhalten so drastisch ändern. In diesem Beitrag wollen wir wichtige Impulse und Erkenntnisse aus unseren eigenen Beratungsgesprächen mit Euch teilen und zeigen, wie es gelingen kann, mit strategischer Kommunikation und der richtigen Perspektive effektiv und zielsicher auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren.

Was macht eine Kommunikationskrise aus?

Interne oder externe Ereignisse lösen eine Kommunikationskrise entweder verschuldet oder unverschuldet aus. Infolgedessen wird das Vertrauen beeinflusst, welches wir in der Öffentlichkeit sowie bei unserem Publikum aufgebaut haben. Unser Publikum löst wiederum ebenso externe Kommunikation aus: denn ohne, dass wir etwas dafür tun, reden Menschen über die aktuellen Ereignisse. Und das löst auch Reaktionen in Bezug auf unsere Veranstaltung, unsere Häuser und unsere Projekte aus. Die Menschen sind zum Beispiel verunsichert. Sie wissen nicht, ob sie unsere Angebote gerade wahrnehmen wollen oder wie es mit unseren Angeboten weitergeht.

Die Ziele der Krisenkommunikation

Ziele der Krisenkommunikation in so einem Moment sind: die Vertrauensbasis aufrechtzuerhalten, den Vertrauensverlust zu verhindern, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, neues Vertrauen aufzubauen und – im besten Fall – auch neue Interessenten zu gewinnen.

Wie Krisenkommunikation gelingen kann:

Durch proaktives Handeln kann Krisenkommunikation gelingen, d. h. wir nehmen das Steuer selbst in die Hand. Wir erzeugen Sichtbarkeit, damit wir wirklich wahrgenommen werden und selbst die Möglichkeit bekommen, die Botschaften des Publikums und somit die externe Kommunikation mit unseren eigenen Inhalten zu beeinflussen.

Wir kommunizieren transparent. Das bedeutet, dass wir die Dinge so darstellen und unsere Botschaften so vermitteln, wie sie auch wirklich sind und stattfinden. Sodass jeder weiß, dass wir sehr transparent und offen mit unseren Besuchern und der Öffentlichkeit kommunizieren. Unsicherheiten und Verwirrung über die aktuelle Situation können wir auf diese Weise auflösen.

Damit das gelingt, müssen wir uns an den Bedürfnissen der Besucher, unseres Publikums, unserer Zuschauer und der Öffentlichkeit orientieren.

Teil 1: Veranstaltungen, Absagen, Verlegungen & Neuankündigungen

Viele Veranstaltungen sind im Zuge des Lockdowns abgesagt worden. Sie wurden verlegt und an vielen Stellen existieren bereits neue Termine für 2021. In diesem Zusammenhang müssen wir aktuell sehr gut aufpassen. Voreilige Ankündigungen können die Vertrauensbasis, die wir mit unseren Besuchern/Gästen/Teilnehmern aufgebaut haben, nachhaltig beeinträchtigen und damit auch unsere bisher errungene Kompetenz bzw. das Bild unserer Kompetenz nach außen schwächen.

Vertrauensbasis vor der Krise

Schauen wir uns einmal das vor der Krise aufgebaute Vertrauensverhältnis an. Auf der einen Seite haben wir den Vorverkaufsstart bzw. unsere Terminankündigung und auf der anderen Seite unsere eigentliche Veranstaltung. Dazwischen befindet sich unser Publikum, welches die Entscheidung getroffen hat, unsere Veranstaltung zu besuchen. In den letzten Jahren konnten wir auf diese Weise Vertrauen aufbauen. Deshalb hatten wir bei (großen) Veranstaltungen einen Verkauf der Tickets von bis zu 12 Monaten im Vorfeld. Damit konnten wir sehr gut arbeiten, denn binnen dieser 12 Monate haben sich Menschen teilweise sehr früh dazu entschieden, unsere Veranstaltung zu besuchen.

Das hat so gut funktioniert, dass wir mit unseren eigenen Projekten häufig eine Regelung hatten, bei der wir mit mindestens einem halben Jahr Vorlauf effektiv gearbeitet haben.

Entscheidungs- und Kaufprozess waren vor dem Lockdown sehr verlässliche Prozesse. Der Kauf hat 24/7 online funktioniert. In dem Moment, in dem der Käufer einen Impuls bekommen hat, wusste er, er kann jetzt sofort eine Karte kaufen. Somit konnte er die entsprechende Veranstaltung für sich terminieren. Deswegen war es auch sinnvoll, teilweise sehr frühzeitig in die Kommunikation zu gehen. Denn wenn eine Person sich einmal für eine Veranstaltung entschieden hat, konnte sie sich in der Regel nicht mehr für eine andere entscheiden. Die Menschen, die sich entschieden haben, hatten eine sehr hohe Sicherheit. Sie wussten, die Veranstaltung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit stattfinden. Bei Festivals kam es zwar öfter auch mal zu Ausfällen oder Absagen, dafür gab es jedoch viele Versicherungsmöglichkeiten. Man hat sich daran gewöhnt, dass man bei wetterbedingten Absagen o. Ä. durch einen Rückerstattungsprozess abgesichert ist.

Aktuelle Situation

Doch jetzt haben wir eine ganz andere Situation. Durch den Lockdown und durch die Corona-Krise haben wir wahrscheinlich tausende abgesagte Veranstaltungen. Millionen Ticketerstattungen werden fällig, da so viele Veranstaltungen abgesagt worden sind. Es liegen ganz viele offene Abwicklungen vor.
Im Hinblick auf die Rückerstattung von Festivaltickets sowie Tickets im Allgemeinen, welche bislang nur als Gutscheine ausgegeben worden sind, wird es Diskussionen geben. Oder sogar Prozesse – nicht nur laufende Prozesse, sondern Verhandlungen und politische Diskussionen darüber, welche Regelungen gefunden werden sollen, um diese Situation zu bereinigen. Veranstalter, die das gerade finanziell gar nicht können, sollen nicht durch Zwang ihre verkauften Karten rückerstatten müssen und dadurch in eine Insolvenz getrieben werden. Diese Prozesse sind offen. Die Menschen haben Karten gekauft, Veranstaltungen sind abgesagt worden, das Geld ist noch nicht zurückerstattet. Das betrifft nicht nur die Veranstaltungsbranche, sondern auch Flüge und Reisen. Die Unsicherheit sorgt bei den Betroffenen oftmals auch für Verärgerung. Und das löst eine völlig andere Situation für uns aus.

Aktuelle Ankündigungen

Wenn wir jetzt mit dieser Situation arbeiten wollen – und man sieht derzeit immer wieder, dass einige dies versuchen, indem sie neue Veranstaltungen und Line-ups ankündigen, Tickets verkaufen und den Ticketverkauf bewerben – dann müssen wir verstehen: wir schaffen da Tatsachen.
Dadurch, dass wir jetzt massiv einen Ticketverkauf bewerben oder Facebook-Veranstaltungen anlegen und auf eine große Reichweite dieser hoffen, suggerieren wir Botschaften. Diese Botschaften vermitteln, dass zum Zeitpunkt X alles wieder „normal“ ist. Wir suggerieren, dass das Event genau so stattfinden kann, wie wir es ankündigen. Zum Beispiel mit den ausländischen Acts, die wir ankündigen, mit den großen Formationen und Besucherzahlen, wie wir sie bislang hatten. Wir erwecken den Eindruck, dass ein Ticketkauf jetzt gerade sinnvoll ist. Sonst würde die Veranstaltung ja nicht beworben werden. Dies suggeriert auch die Sicherheit von Ticketgeldern. Denn es wird auf jeden Fall eine Rückerstattung geben: eine Versicherung greift, wenn die Veranstaltung abgesagt wird. Das ist das Bild, welches wir suggerieren müssen, wenn wir
Vertrauen von Seiten unserer Interessenten erreichen wollen. Wenn wir einen Besucher jetzt zu einer Entscheidung bringen wollen, dann müssen wir diese Botschaften vermitteln. Das tun wir bereits durch unsere Ankündigung und durch die Bewerbung des Ticketings. Und darauf reagieren die Menschen auch, da wir uns als Veranstalter durch das über die Jahre aufgebaute Vertrauen an viele Stellen eine sehr hohe Kompetenz geschaffen haben.

Die aktuelle Realität 

Der Mensch ist es, zu dem wir diese Nachrichten transportieren müssen, um ihn zu einer Entscheidung zu bringen. Und vielleicht haben wir es auch geschafft, ihn jetzt zu einem Ticketkauf für das nächste Jahr, für die nächste Spielzeit, für die nächste Veranstaltung, für das nächste Festival zu ermutigen.
Dann passiert Folgendes: es kommen ganz viele Botschaften an diesen Menschen von außen. Sie sagen, dass die Dauer der aktuellen Umstände unklar ist. Wir wissen nicht, wie lange diese Krise dauert. Vielleicht gibt es eine zweite, eine dritte Welle? Was passiert mit meiner Karte, wenn das Festival in einen Lockdown gerät? Großveranstaltungen können auch 2021, vielleicht sogar 2022 betroffen sein. Niemand weiß momentan, wie die Zukunft aussehen wird. Das Reisen kann auch weiterhin eingeschränkt sein. Wir wissen nicht, ob die Künstler aus den USA oder aus anderen Ländern überhaupt in der Lage sein werden, auf unseren Veranstaltungen zu spielen.
Dann sind wir unsicher, wie das mit den Sicherheitsabständen aussehen wird. Es gibt zwar Lockerungen, aber wir wissen nicht, wie die Regelungen, z. B. für Großveranstaltungen oder Festivals, im kommenden Jahr gestaltet und umgesetzt werden. Wie werden die Hygienemaßnahmen umgesetzt? Dieser Aspekt stellt ein besonders großes Fragezeichen dar. Wird es vielleicht Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen geben, die dazu führen, dass Großveranstaltungen gar nicht durchführbar sind?

Außerdem wissen wir nicht, ob es im Falle einer Absage einen Gutschein als Erstattung geben wird. Darüber bin ich mir als Besucher momentan nicht im Klaren. Ich bekomme diese Informationen fortlaufend von außen, indem ich mitbekomme, dass es zu einer bestimmten, ausgefallenen Veranstaltung einen Gutschein als Erstattung gab.
Zudem gibt es vielleicht Gerüchte darüber, dass Veranstalter gerade nicht zahlungsfähig sind. Auch das torpediert alles in diese Situation hinein und geht komplett gegen unsere Kompetenz. Wenn wir also versuchen, die Menschen von einem Kartenkauf zu überzeugen, kann es sein, dass wir dadurch massiv an Kompetenz verlieren. Denn die Menschen fragen sich, warum eine Veranstaltung angekündigt wird, deren Durchführung doch aber noch unsicher ist. Auch wenn Dinge schon politisch vorweggenommen werden, hinterlässt das einen sehr seltsamen Eindruck. Dadurch verlieren wir an Vertrauen.

Wenn wir jetzt wieder Veranstaltungen ankündigen, die erneut abgesagt oder verschoben werden müssen, verlieren wir ein weiteres Mal an Vertrauen. Dies führt dazu, dass Menschen – vor allem aufgrund der aktuellen Situation – immer kurzfristiger vor der Veranstaltung ihre Karten kaufen werden. Viele Veranstalter, insbesondere von großen Veranstaltungen, haben mit dem frühzeitigen Verkauf von Karten gearbeitet, d. h. den Veranstaltern standen die Eintrittsgelder schon ein halbes Jahr vor der Veranstaltung für ihr operatives Geschäft zur Verfügung. Dadurch hat es an vielen Stellen einen soliden Cashflow gegeben und mit diesem wurde auch gearbeitet.

In der aktuellen Situation dürfen wir nicht zu offensiv eigene Tatsachen kommunizieren, bei denen der Interessent von außen nicht einschätzen kann, ob der Veranstalter eine unter den aktuellen Bedingungen abgesicherte Aussage macht. Auf diese Weise verlieren wir sein Vertrauen und können somit der Vertrauensbasis zwischen uns und unserem Publikum noch mehr schaden.

Mögliche Resultate

Die möglichen Resultate sind Irritationen und eine sogar noch verstärkte Unsicherheit. 

Wir verlieren unsere Kompetenz und es gibt Verärgerung bei den Besuchern. Somit verlieren wir weiter an Vertrauen und erleben ein verändertes Kaufverhalten.

Deshalb solltet ihr mit Bedacht vorgehen bei…

…Veranstaltungsankündigungen, internationalen Künstlern und Facebook-Events. Hier ist momentan auch kein großer viraler Effekt zu erwarten. Es gibt aktuell auch keinen Grund, ein Facebook-Event anzulegen. Aufgrund des fehlenden viralen Effekts werden wir schlichtweg keine Euphorie um unsere Veranstaltung generieren – außer wir bewegen uns komplett im Rahmen dessen, was möglich ist.

Darüber hinaus ist Vorsicht bei der Bewerbung des Ticketings geboten. Die Nachfrage ist momentan auch weiter zurückgegangen, weshalb wir aufpassen müssen, dass die Menschen nicht von Ankündigungen für das nächste Jahr irritiert werden. Denn wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen große Veranstaltungen durchführbar sind und stattfinden können. Wir wissen auch nicht, ob eine bestimmte Veranstaltung mit bestimmten Künstlern in einer vorgesehenen Größenordnung stattfinden kann. Wenn wir aktuell zu sehr mit solchen Versprechungen arbeiten, wird es Menschen dazu bringen, dass sie in ihrem Kaufverhalten unsicher werden. Sie werden unseren Botschaften nicht mehr vertrauen. Und das ist das Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollen.
Auch die Bewerbung von unsicheren Terminen sollte gut durchdacht sein. Wir kennen die Bedingungen für zukünftige Großveranstaltungen nicht. Somit können wir nicht einfach kommunizieren, dass die Veranstaltung genau wie angekündigt oder gewohnt im nächsten Jahr stattfinden wird.

Unsere Empfehlung

  • Die Kommunikation langsam starten: mit den Entwicklungen gehen, passive Sichtbarkeit herstellen, Termine z. B. auf der Homepage veröffentlichen und bekannt geben, dass die Termine geplant sind. Es sollte aber nicht unbedingt eine Facebook-Veranstaltung daraus gemacht werden.
  • Transparent kommunizieren: denn wir wissen nicht, was passieren wird. Eine Veranstaltung kündigt Ihr nach Eurem derzeitigen Wissensstand an. Ihr hofft, dass Ihr sie in der Form durchführen könnt und haltet Eure Besucher selbstverständlich auf dem Laufenden.
  • Sich strategisch gut aufstellen: das können wir Euch ebenfalls empfehlen. Die Zeit jetzt zu nutzen, um Euch zu organisieren und jeden einzelnen Schritt von der Lockerung und den daraus resultierenden Möglichkeiten genau zu planen. Auch Unklarheiten sollten proaktiv benannt werden. Und dann im richtigen Moment – wenn klar ist, dass Ihr das jetzt kommunizieren könnt – auf allen Kanälen senden.

Autor*innen

Martin Juhls

Martin Juhls ist Gründer der Initiative Kulturkommunikation, der digitalen Kommunikations- und Strategieberatung für den Kultur- und Veranstaltungsbereich. Die privatwirtschaftliche Initiative berät und schult Kulturinstitutionen, Festivals und Veranstalter in den Bereichen PR, Marketing und digitale Kommunikation. Martin Juhls selbst leitete über zehn Jahre eine eigene PR-Agentur für den Kultur- und Veranstaltungsbereich im Ruhrgebiet, war Mitveranstalter und Leiter der Kommunikation eines großen Musikfestivals und hat in den vergangenen 20 Jahren über 2.000 Veranstaltungen in nahezu allen Bereichen der Kommunikation betreut und oftmals auch konzeptionell mitentwickelt.

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